“Medien und Öffentlichkeit: Die unsichtbaren Richter”

Litigation-PR-Konferenz 2016

Das Verhältnis zwischen Presse, Öffentlichkeit und Justiz wird immer komplizierter. Kann die Öffentlichkeit oder die Presse das Ergebnis eines Prozesses beeinflussen? Oder sind die Gerichte noch unabhängig genug? Wie verteidigt man seinen Ruf vor Gericht und in der Öffentlichkeit? Dies waren einige der Fragen der ersten Litigation-PR-Konferenz im Juni 2016.

Heute ist der Ruf, den man vor Gericht hat, genauso wichtig wie in der Öffentlichkeit. Tatsächlich kann ein schlechter Ruf in der Öffentlichkeit aufgrund einer unprofessionellen Kommunikationsstrategie genauso schlimm sein wie der Verlust vor Gericht. An der ersten Litigation-PR-Konferenz von N.CH und seinen Partnern, der ZHAW School of Management and Law und AGON PARTNERS LLP, diskutierten und analysierten die Experten das Verhältnis zwischen Presse, Öffentlichkeit und Justiz. Ein Verhältnis, das heutzutage immer komplexer wird.

Die Grenzen der Presse

Ein wichtiger Teil dieses Austausches war die von Prof. Dr. Patrick Krauskopf moderierte Podiumsdiskussion mit Vertretern der Presse sowie Anwälten und Richtern. Sowohl die Rechtsanwältin und Journalistin Mirjam Teitler als auch Richterin Cornelia Stamm Hurter erklärten, dass sie zwar die Presse lesen, aber versuchen, den Einfluss zu minimieren, indem sie sorgfältig prüfen, welche Berichte sie vor einem Prozess lesen. Mirjam Teitler merkte an, dass es für einen Anwalt besonders wichtig sei, direkt mit dem Gericht und nicht über die Medien zu kommunizieren, um Missverständnisse zu vermeiden. Die Vertreter der Presse, z.B. Chefredakteur Stefan Regez, Verleger Matthias Ackeret und die Enthüllungsjournalistin Monica Fahmy, waren der Meinung, dass die Prozess-PR zwar die Arbeit der Journalisten beeinflussen wolle, ihr Einfluss aber eher begrenzt sei. Sie kann zwar sicherlich das öffentliche Interesse an einem Fall und damit auch das Interesse der Presse verbessern, aber Litigation-PR wird die Meinung der Öffentlichkeit nicht so stark verändern können, wie manche vermuten. Doch während Journalisten während eines Prozesses sowohl gegenüber den beteiligten Parteien als auch gegenüber dem Gericht selbst recht kritisch zu sein scheinen, erweisen sie sich nach Abschluss des Prozesses als eher unkritisch. Der Grund dafür scheint darin zu liegen, dass den meisten Journalisten das Wissen über das Justizsystem fehlt, insbesondere in Bezug auf das Schweizerische Bundesgericht. Dies wirft jedoch die Frage auf, ob die Prozess-PR nach dem Prozess wirklich endet oder ob die Interpretation des Prozessergebnisses und damit die Berichterstattung darüber vielleicht noch wichtiger ist.

Das Justizsystem verbessert seine Kommunikationsstrategie

Wenn es um Litigation-PR geht, ist es wichtig, dass die Gerichte heute ihre Kommunikationsstrategien und -möglichkeiten verbessern. Markus Felber, der als Journalist am Schweizerischen Bundesgericht tätig war, und Mascha Santschi Kallay, Rechtsanwältin und Kommunikations- sowie Litigation-PR-Expertin, stellten in einem Workshop ihre Erfahrungen vor. Beide waren der Meinung, dass die Gerichte ihre Kommunikation mit der Presse und der Öffentlichkeit ausgebaut und professionalisiert haben und deshalb auch die Anwältin ihre Kommunikationsstrategie verbessern müsse. Valentin Landmann, einer der bekanntesten Strafverteidiger der Schweiz, war der gleichen Meinung und betonte, dass es heute noch schlimmer sei, nicht zu kommunizieren, da man interpretieren könne, dass man etwas verberge. Er führte weiter aus, dass es oft besser ist, seine Fehler einzugestehen, als zu warten, bis sie entdeckt werden. Die Social-Media-Expertin Barbara Schwede unterstützte seine Meinung vor allem mit Blick auf die Öffentlichkeit. In ihrem Workshop über “Shitstorms” erläuterte sie, wie eine schlechte und aggressive Kommunikation, insbesondere im Zusammenhang mit rechtlichen Bedrohungen, die öffentliche Meinung verschlechtern kann. Obwohl diese Ereignisse keine langfristigen Auswirkungen zu haben scheinen, sollte ihr unmittelbarer Einfluss nicht ignoriert werden.

Die Politik der Litigation-PR

Litigation-PR wird oft mit der Arbeit von Anwälten verbunden. Dabei wurde jedoch die Tatsache ignoriert, dass jede Verhandlung, die öffentliches Interesse weckt, eine professionelle Kommunikationsstrategie erfordert und daher die Prinzipien der Litigation-PR beinhaltet. Béla Anda, ehemaliger Pressesprecher des deutschen Bundeskanzlers Gerhard Schröder, stellte dies in seiner Rede vor. Sein Beispiel waren die Zwangsarbeit deutscher Unternehmen während des Zweiten Weltkrieges und die Rückführungsverhandlungen der deutschen Regierung und verschiedener Organisationen, die sich mit diesem Thema befassen. Seine Aufgabe war es, eine professionelle Kommunikation der Entwicklungen zu organisieren, die die Sicht der deutschen Regierung darstellt. Ziel war es, der Öffentlichkeit zu erklären, dass die deutsche Regierung dieses Problem wirklich lösen will und nichts zu verbergen hat. Das gleiche Thema wurde von Thomas Borer, ehemaliger Schweizer Botschafter in Berlin und Experte für politische Kommunikation, vorgestellt. Als Verantwortlicher für die Verhandlungen der Schweiz und der Überlebenden des Zweiten Weltkrieges > sowie ihrer Familien teilte er seine Erfahrungen und stellte fest, dass man Freunde, eine professionelle Kommunikationsstrategie und eine klare und ehrliche Botschaft braucht, um erfolgreich zu sein. Keine Kommunikation erlaubt es der anderen Seite, ihre Unterstützung langsam zu erhöhen und erhöht auch den Druck. Dies galt vor der Jahrhundertwende und ist heute noch wahrer.

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